![Deep Canvassing: Mit empathischen Gesprächen Vorurteile abbauen und demokratische Werte stärken Ein älterer Mann mit grauen Haaren und einem karierten Hemd steht lächelnd an der geöffneten Tür, während er mit einer Person spricht, die eine Tasche trägt und ihm gegenübersteht.](/fileadmin/_processed_/8/e/csm_deep_canvassing_1523935544_28fd92481a.jpg)
Deep Canvassing: Mit empathischen Gesprächen Vorurteile abbauen und demokratische Werte stärken
Wahlen gehören zu den Grundpfeilern jeder Demokratie. Sie entscheiden über politische Richtungen, gesellschaftliche Prioritäten und über die Zukunft ganzer Länder. Ob die prägend verlaufene Wahl in den USA oder die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland – diese Ereignisse zeigen, wie entscheidend es ist, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, um sie für demokratische Werte zu gewinnen. In einer Zeit, in der Polarisierung und der Aufstieg rechtsradikaler Bewegungen zunehmend die politischen Diskurse dominieren, wird die Frage immer drängender, wie Einstellungen nachhaltig verändert werden können. Eine innovative Methode, die in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregt hat, ist das sogenannte „Deep Canvassing“.
Was ist Deep Canvassing?
Canvassing heißt auf Deutsch „Kundenfang“ oder „Stimmenfang“, im Englischen kommt es von „toss in a canvas sheet“ (in ein Leinwandblatt werfen) im Sinne von ‚sorgfältig sieben‘ ‚heraussuchen‘ ‚sorgfältig zu untersuchen‘, leitet sich ab vom altfranzösischen canabasser. (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Canvassing)
Deep Canvassing ist eine Gesprächstechnik, die darauf abzielt, tief verwurzelte Meinungen und Vorurteile durch empathische, persönliche Gespräche zu verändern. Anders als klassische Haustürbesuche oder Wahlkampagnen, bei denen meist kurz und direkt für eine Partei oder eine Sache geworben wird, geht es beim Deep Canvassing um eine tiefere Ebene. Es geht darum, Menschen wirklich zuzuhören, ihre Erfahrungen zu verstehen und in einer respektvollen Diskussion Brücken zu bauen. Dabei werden oft Fragen gestellt wie: „Haben Sie selbst schon einmal etwas erlebt, das Ihre Sicht auf dieses Thema geprägt hat?“ oder „Was fühlen Sie, wenn Sie darüber nachdenken?“.
Die Technik wurde erstmals in den 2010er Jahren von Organisationen in den USA entwickelt, die sich für die Rechte von LGBTQ+-Personen einsetzten. Ziel war es, Vorurteile gegenüber gleichgeschlechtlichen Ehen abzubauen. Studien zeigen, dass diese Methode erfolgreich war und dazu beitrug, dass sich Meinungen über LGBTQ+-Rechte nachhaltig veränderten – oft schon nach einem einzigen Gespräch. Im Jahr 2016 zeigten Broockman und Kalla, dass ein zehnminütiges, ausführliches Gespräch einen Einfluss auf die Ansichten der Befragten zu Transgender-Themen hatte. (Quelle: en.wikipedia.org/wiki/Deep_canvassing)
Wie funktioniert Deep Canvassing?
Im Kern basiert Deep Canvassing auf drei Schlüsselprinzipien: Empathie, Erzählungen und Reflexion.
1. Empathie: Statt Menschen zu belehren oder zu kritisieren, liegt der Fokus darauf, sie zu verstehen. Canvasser*innen stellen offene Fragen, die dazu ermutigen, eigene Erfahrungen zu teilen. Das Ziel ist es, eine persönliche Verbindung herzustellen und Vertrauen aufzubauen.
2. Erzählungen: Canvasser*innen teilen oft auch eigene Geschichten, die sie verletzlich und nahbar machen. Diese Geschichten können helfen, Perspektiven zu ändern, indem sie zeigen, dass persönliche Erfahrungen oft komplexer sind, als man denkt.
3. Reflexion: Die Gespräche regen dazu an, eigene Ansichten zu hinterfragen und aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Dabei wird niemand zu einer Meinungsänderung gedrängt - stattdessen entsteht Raum für Einsicht und Veränderung.
Ein Beispiel: Wenn jemand Vorurteile gegenüber Migrant*innen äußert, würde ein Deep Canvassing-Gespräch vielleicht mit einer Frage beginnen wie: „Wann war das letzte Mal, dass Sie jemanden aus einem anderen Land getroffen haben? Was war Ihre Erfahrung dabei?“ Anschließend könnte der*die Canvasser*in eine persönliche Geschichte über eigene Migrationserfahrungen oder über Vorurteile, die sie*er selbst erlebt hat, erzählen. Solche Gespräche können Vorurteile aufbrechen, weil sie auf einer emotionalen und persönlichen Ebene wirken.
Wie wirksam ist Deep Canvassing?
Zahlreiche Studien haben die Effektivität von Deep Canvassing untersucht. Eine Untersuchung, die 2016 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, zeigte, dass Meinungsänderungen durch diese Methode nicht nur möglich sind, sondern auch langfristig anhalten können. Die Gespräche können sogar tief verwurzelte Vorurteile abbauen, indem sie emotionale und kognitive Prozesse anregen.
Insbesondere in hoch polarisierten Gesellschaften, wie sie heute in vielen Ländern existieren, könnte Deep Canvassing eine Möglichkeit sein, den Dialog zwischen unterschiedlichen politischen Lagern wiederherzustellen. Dies ist besonders relevant, wenn es darum geht, der Ausbreitung von rechtsradikalen Ansichten entgegenzuwirken. Rechte Ideologien basieren oft auf Angst, Fehlinformationen und Vorurteilen – genau jene Aspekte, die durch empathische Gespräche adressiert und aufgebrochen werden können.
Kontroversen und Herausforderungen
Trotz seiner vielversprechenden Ergebnisse ist Deep Canvassing nicht unumstritten. Kritiker*innen argumentieren, dass die Methode zeit- und ressourcenintensiv sei. Ein effektives Deep Canvassing erfordert umfassende Schulungen der Freiwilligen, da sie lernen müssen, emotional belastbare und gleichzeitig respektvolle Gespräche zu führen. Außerdem gibt es ethische Fragen: Ist es legitim, Meinungen gezielt zu beeinflussen, selbst wenn dies im Sinne demokratischer Werte geschieht?
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Skalierbarkeit. Während Deep Canvassing in einzelnen Kommunen beeindruckende Ergebnisse erzielt hat, stellt sich die Frage, ob die Methode auf nationale oder gar internationale Kampagnen ausgeweitet werden kann. In einer zunehmend digitalen Welt, in der viele politische Debatten online stattfinden, bleibt unklar, ob persönliche Gespräche weiterhin die gleiche Wirkung erzielen können.
Eine Methode mit Potenzial
Deep Canvassing ist mehr als nur eine Technik der politischen Überzeugungsarbeit. Es ist eine Form des Dialogs, die auf Verständnis, Menschlichkeit und Empathie setzt – Werte, die in der heutigen Zeit oft zu kurz kommen, wie man im US-Wahlkampf beobachten konnte. Jetzt, wo rechtsradikale Ansichten und gesellschaftliche Spaltung zunehmen, bietet Deep Canvassing die Möglichkeit, langfristige Veränderungen zu bewirken und demokratische Prinzipien zu stärken.
Ob die Methode flächendeckend angewendet werden kann, bleibt abzuwarten. Aber der Ansatz, Menschen mit Respekt und Empathie zu begegnen, hat das Potenzial, die politische Landschaft positiv zu beeinflussen und Vorurteile nachhaltig abzubauen.
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Beitragsbild: shutterstock/Dragon Images
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