Unconscious Bias im Alltag: Unbewusste Vorurteile und was wir dagegen tun können
Oft passiert es unbemerkt und ohne böse Absichten: das Schubladendenken. Den Bankschalter bedient eine Person mit vielen Tattoos und du denkst: „Von dieser Person möchte ich mich nicht beraten lassen.“ Du bevorzugst die Beraterin oder den Berater ohne körperliche Auffälligkeiten und schreibst dieser Person unbewusst mehr Kompetenz zu. Warum haben wir Unconscious Bias und wie können wir diese unbewussten Vorurteile erkennen und ihnen entgegenwirken?
Es gibt verschiedene Formen von Biases, die sich oft unbemerkt auf unsere täglichen Interaktionen, Entscheidungen und Urteile auswirken. Im Folgenden werden die bekanntesten Vorurteile im Arbeitskontext näher erläutert:
Der Halo-Effekt: Der „Heiligenschein“- Effekt
Der Halo-Effekt beschreibt die Tendenz, einzelne positive Eigenschaften einer Person, wie beispielsweise das Aussehen, überzubewerten und diese auf ihre gesamte Persönlichkeit zu übertragen. Ein weiteres Beispiel ist, dass es oftmals schon ausreicht, ein renommiertes Unternehmen im Lebenslauf zu haben. Dieser Umstand allein lässt die Person in einem übermäßig positiven Licht erscheinen. Es entsteht meist unbewusst der Eindruck, dass sie in ihren Fähigkeiten herausragend ist, selbst, wenn dazu keine weiteren konkreten Belege vorliegen.
- Tipp: Eine gut strukturierte und objektive Herangehensweise, wie etwa eine standardisierte Bewertung bei Einstellungsverfahren - das sogenannte “Inclusive Hiring” - hilft, das Urteil nicht durch den ersten Eindruck beeinflussen zu lassen. Strukturierte Interviewfragen oder Bewertungskriterien helfen, die objektiven und relevanten Informationen in den Fokus zu stellen.
Exkurs: Inclusive Hiring
Ziel beim inklusiven Einstellungsverfahren ist es, Menschen unabhängig von ihrer ethischen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung, ihrem Alter, ihrer Religion, ihrer Behinderung oder anderen individuellen Merkmalen gleiche Chancen auf eine Beschäftigung zu bieten. Erreicht werden kann dieses Ziel mit folgenden Methoden:
- Bewusstseinsbildung durch Trainingsmaßnahmen für Recruiter und Führungskräfte zu Themen wie Unconscious Bias und Interkulturelle Kompetenz.
- Diversität in Rekrutierungsmethoden:
- Inklusive Stellenanzeigen mit genderneutraler und inklusiver Sprache (z.B. „alle Geschlechter willkommen“)
- Anonymisierte Bewerbungsverfahren ohne Angabe persönlicher Informationen wie Name, Alter, Geschlecht, Herkunft oder Foto
- Diversifizierte Recruiting-Kanäle: Stellenanzeigen und Rekrutierungskampagnen auf Plattformen und Netzwerken veröffentlichen, die sich an spezifische Zielgruppen richten (z.B. Frauen in der IT, Menschen mit Behinderung, LGBTQ+ Communities, ältere Arbeitnehmende)
- Strukturierte und standardisierte Interviews: Einheitliche Fragen und Bewertungskriterien für alle Kandidat*innen, ein klares Punktesystem zur objektiven Bewertung von Antworten
- Einsatz von Diversitätstools- und technologien: Software zur anonymisierten Vorauswahl von Lebensläufen; Künstliche Intelligenz, die geschlechterspezifische oder diskriminierende Formulierungen erkennt und vorschlägt, diese zu korrigieren.
- ACHTUNG: Diese Tools müssen regelmäßig auf Verzerrungen geprüft werden, um keine neuen Diskriminierungen zu erzeugen!
- Barrierefreie Bewerbungsprozesse: Barrierefreie Online-Bewerbungsformulare und Websites, angemessene Vorkehrungen für Bewerber*innen mit Behinderung (Gebärdensprachendolmetscher*in, flexible Interviewformate)
- Diverse Rekrutierungs- und Auswahlgremien: Zusammensetzung eines Teams aus Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Geschlechtern und Lebenssituationen
- Praktika und Mentoringprogramme: für benachteiligte Gruppen Möglichkeiten schaffen, Berufserfahrung zu sammeln; Förderung der Karriereentwicklung durch Mentoren
Der Horns-Effekt: Das Gegenstück zum Halo-Effekt
Der Horns-Effekt ist eine weitere Form der kognitiven Verzerrung. Hierbei werden einzelne negativ markierte Eigenschaften einer Person auf ihr gesamtes Verhalten und ihre Fähigkeiten projiziert. Verhält sich eine Person beispielsweise eher zurückhaltend, kann das als unfreundlich, unmotiviert oder unfähig wahrgenommen werden, ohne, dass das tatsächlich zutrifft. Diese Vorurteile führen dazu, dass bestimmte Fähigkeiten oder Talente übersehen werden.
- Tipp zur Vermeidung des Horns-Effekts: Wie auch beim Halo-Effekt gilt es hier, die eigenen Vorurteile immer wieder bewusst zu hinterfragen. Das kann durch Feedbackgespräche und gezielte Reflexion des eigenen Urteilvermögens erreicht werden.
Auch der Horns-Effekt kann schon beim Rekrutieren und Einstellen von Personen durch die Anwendung des Inclusive Hiring (siehe oben) weitestgehend verhindert werden.
Confirmation Bias: Nur hören, was angenommen wird
Beim Confirmation Bias suchen Menschen unbewusst nach Informationen, die ihre bereits bestehenden Annahmen oder Vorurteile bestätigen. Ein Beispiel ist das verbreitete Vorurteil, ältere Menschen seien generell weniger digital affin. Das wird oberflächlich bestätigt, wenn eine ältere Mitarbeiterin oder ein älterer Mitarbeiter mit einem neuen digitalen Tool nicht gleich zurechtkommt, obwohl andere Situationen das Gegenteil beweisen, die dann aber nicht berücksichtigt oder übersehen werden.
- Tipp: Hier hilft es, aktiv nach Gegenbeispielen zu suchen. Durch Gespräche mit Kolleg*innen und den Austausch über Wahrnehmungen können neue Perspektiven gewonnen werden. Im Unternehmen sollte ein Umfeld geschaffen werden, in dem Annahmen regelmäßig reflektiert und hinterfragt werden.
Groupthink Bias: Gruppenzwang und das Streben nach Harmonie
Groupthink Bias bezeichnet das Phänomen, dass Menschen innerhalb einer Gruppe dazu neigen, sich an die Meinung der Mehrheit oder der Führungskraft anzupassen. Dies geschieht oft aus dem Wunsch nach Harmonie und der Angst heraus, abweichende Meinungen könnten negative Folgen haben. Dadurch könnten jedoch wertvolle alternative Sichtweisen übergangen werden. Dies kann die Innovationskraft und Problemlösungsfähigkeiten des Teams stark einschränken.
- Tipp: Um Groupthinking / Groupthink Bias zu vermeiden, ist es hilfreich, dass Führungskräfte sich zunächst zurückhalten und ihre Meinung nicht gleich mitteilen. Zudem könnten regelmäßige Rollenwechsel und das Sammeln von Gegenargumenten eine offene Diskussionskultur fördern.
In-Group- oder Affinity Bias: „Wir“ versus „die Anderen“
Als In-Group- oder Affinity-Bias wird die Voreingenommenheit zugunsten der eigenen Gruppe bezeichnet. Menschen, die der eigenen Gruppe angehören, werden positiver bewertet als Personen, die als „anders“ wahrgenommen werden. Dies kann sich in Unternehmen negativ auf die Vielfalt und Inklusion auswirken. Marginalisierte Personen oder Gruppen erleben oft unbewusste Ausgrenzung und haben es dadurch schwerer, sich vollkommen im Team zu integrieren. Oft ist für diese Personen die Hemmschwelle groß, ihre Perspektiven und Ideen frei zu äußern aus Angst vor dem Horns-Effekt oder dem Confirmation Bias.
- Tipp: Eine stärkere Offenheit für Diversität kann dazu beitragen, dass Vorurteile gegenüber „anderen“ Gruppen abgebaut werden. Eine mögliche Methode ist der sogenannte „Privilegien-Check“. Hier tauscht man sich gezielt mit Menschen aus, die eine andere Perspektive vertreten. Möglicherweise hilft es auch, seinen Feed in sozialen Medien diverser zu gestalten, indem man sich bewusst abweichende Meinungen anschaut.
Unbewusste Vorurteile begleiten uns im Alltag und beeinflussen, wie wir Menschen wahrnehmen und behandeln. Indem wir diese Biases erkennen und reflektieren, können wir zu einer wertschätzenden und offenen Atmosphäre beitragen – sei es im Beruf oder im Privatleben. Nur durch kontinuierliche Selbstreflexion, bewusstes Handeln und den Austausch über unsere Wahrnehmungen wird es möglich, diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und eine inklusive Gesellschaft zu fördern.
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Beitragsbild: shutterstock/TarikVision
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